In der Zeit von E-Rollern und Segways häufen sich auch die hierdurch bedingten Rechtsfragen. Heute weisen wir auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 16.4.2019, vorgehend Hinweisbeschluss vom 6.3.2019, jeweils Az. 12 U 692/18) hin.
Auf einem kombinierten Fuß- und Radweg haben Fußgänger gegenüber Elektrokleinstfahrzeugen (hier: Segway) absoluten Vorrang. Der Fußgänger muss deshalb dort nicht fortwährend nach Fahrzeugen Ausschau halten, um ihnen ausweichen zu können. Vielmehr haben die Fahrer ihre Fahrweise und Fahrgeschwindigkeit so anzupassen, dass es nicht zu einer Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers kommt. Hierzu gehört es auch, durch Warnsignale, Blickkontakt oder auf andere Weise eine Verständigung mit dem Fußgänger zu suchen.
Achtet oder reagiert ein Fußgänger nicht auf Warnsignale, muss das Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst werden, wenn dies erforderlich ist, um eine Behinderung oder Gefährdung zu vermeiden. Das hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz in dem vorgenannten Beschluss entschieden.
Das OLG Koblenz hat hiermit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Mainz (Az. 4 O 189/17) bestätigt, durch das die Klage einer Segway-Fahrerin abgewiesen worden war. Diese hatte als Teil einer Gruppe von Segway-Fahrern einen kombinierten Geh-/Radweg befahren. Der Beklagte war dort als Fußgänger unterwegs und gerade damit beschäftigt Fotos zu fertigen. Als dieser rückwärtsging, stießen Klägerin und Beklagter zusammen, worauf die Klägerin mit ihrem Segway stürzte. Sie hat im Prozess angegeben, sich durch den Sturz erheblich verletzt zu haben, wobei es auch zu Folgeerkrankungen gekommen sei. Sie forderte vom Beklagten daher unter anderem die Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Das Landgericht wies die Klage bereits mit der Begründung ab, dass die Klägerin den Unfall verschuldet habe, weil sie auf den Beklagten als Fußgänger nicht hinreichend Rücksicht genommen und hierdurch ihre Pflichten als Fahrzeugführerin erheblich verletzt habe. Eine Haftung des Beklagten scheide daher aus. Das OLG Koblenz hat diese Auffassung bestätigt.
Maßgebend war hierbei, dass nach der Gesetzeslage der Beklagte als Fußgänger auf dem kombinierten Fuß- und Radweg absoluten Vorrang gegenüber der Beklagten gehabt habe (§ 7 Abs. 5 Mobilitätshilfenverordnung; zwischenzeitlich neu geregelt in § 11 Abs. 4 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung; auch die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) regelt weiterhin, dass auf gemeinsamen Geh- und Radwegen Fußgänger Vorrang haben und weder behindert noch gefährdet werden dürfen.).
Der Beklagte habe sich daher nicht fortwährend nach Verkehrsteilnehmern, die die Strecke befahren durften, umschauen müssen. Er habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass die den Weg befahrenden Verkehrsteilnehmer auf ihn Acht geben, also ihre Fahrweise und -geschwindigkeit anpassen, durch Warnsignale rechtzeitig auf sich aufmerksam machen und sicherstellen, dass diese Warnsignale auch rechtzeitig von ihm wahrgenommen und verstanden werden. Hierzu sei, wenn erforderlich, Blickkontakt herzustellen oder auf andere Weise eine Verständigung zu suchen gewesen.
Achte oder reagiere ein Fußgänger nicht auf Warnsignale, müsse das Fahrzeug angehalten werden, wenn nur so eine Behinderung oder Gefährdung des Fußgängers vermieden werden könne. Diese erhöhten Sorgfaltspflichten habe die Klägerin nicht beachtet, da sie auch nach ihrem eigenen Vortrag nicht sicher war, dass der Beklagte sie wahrgenommen hatte.
Die Beklagte treffe aufgrund dieses Versäumnisses ein so hohes Verschulden am Zustandekommen des Unfalles, dass ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten (unachtsames Rückwärtsgehen) zurücktrete.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Vorfälle mit Segways und E-Rollern werden sich in Zukunft wohl häufen. Für Fragen rund um dieses Themengebiet stehen Ihnen Rechtsanwältin Schumann und Rechtsanwalt Schwab jederzeit zur Verfügung.