
Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken (vgl. Urteil vom 15. Januar 2025 – 1 U 20/24) musste sich in seiner aktuellen Entscheidung mit einem durchaus praxisnahen Sachverhalt beschäftigen.
Die Klägerin im gegenständlichen Verfahren ist Eigentümerin eines Einfamilienhauses.
Im Jahr 2011 kam es in dem Haus der Klägerin zu einem versicherten Wasserschaden, den diese bei der Beklagten Versicherung gemeldet hatte.
Am 29.04.2014 fand ein Ortstermin mit dem Gutachter statt, in dessen Folge dieser absprachegemäß eine Kostenberechnung an den Versicherungsmakler der Klägerin übersandte. Nachfolgend erhielt der Gutachter vom E-Mail-Konto der Klägerin eine mit ihrem Namen als Absender gekennzeichnete E-Mail vom 13.06.2014, in der zunächst Bezug auf ein Telefonat mit dem Gutachter vom selben Tag genommen wurde. Es folgten sodann Einwände gegen die Kostenaufstellung des Gutachters; im letzten Absatz fand sich folgender Vergleichsvorschlag:
„Der bisher angebotene Betrag bei einem Vergleich erscheint mir hier nicht angemessen, da wie bereits erwähnt die Rechtsanwaltskosten noch zu tragen wären und die Versicherung von eventuellen noch auftretenden Folgeschäden freigestellt wird. Ich wäre mit einem Vergleich in Höhe von 10.000 € einverstanden. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ein Betrag darunter, für mich nicht akzeptabel ist. Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen, … …“
Die Beklagte überwies der Klägerin den Betrag von 10.000 € und teilte ihr mit Schreiben vom 04.07.2014 (Bl. 6 d.A.) mit: „Sehr geehrte Frau …! Sie erhalten von uns eine Restentschädigung von 10.000,00 EUR. Wir haben diesen Betrag auf ihr Konto überwiesen. Der Betrag ging an folgende Bankverbindung (…). Die Regulierung erfolgt gemäß den Feststellungen des Sachverständigen vor Ort.“
Die Klägerin begehrt nunmehr die Feststellung, dass der Beklagte ihr sämtliche Folgeschäden aus dem streitgegenständlichen Schadensereignis zu ersetzen hat. Die Klägerin hat erstinstanzlich u.a. ausgeführt, dass die Zahlung eines Regulierungsbetrags von 10.000 € durch die Beklagte im Jahr 2014 dem Klagebegehren nicht entgegenstehe. Das entsprechende Vergleichsangebot in der E-Mail vom 13.06.2014 stamme, so die Klägerin, nicht von ihr, sondern von ihrem Ehemann, der hierzu nicht bevollmächtigt gewesen sei. Auch sei der angebotene Abfindungsvergleich nicht mit ihr abgestimmt gewesen; sie habe hiervon keine Kenntnis gehabt.
Vor dem erstinstanzlich zuständigen Landgericht Kaiserslautern hatte die Klägerin mit ihrem Begehren keinen Erfolg. Auch vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken konnte die Klägerin mit ihrer Forderung nicht durchdringen.
Das Berufungsgericht gelangte zu dem Ergebnis, dass das Angebot zum Abschluss eines Vergleichs gemäß Mail vom 13.06.2024 von der Klägerin stammt. Der Einwand der Klägerin, nicht sie selbst, sondern ihr Ehemann habe ohne ihr Wissen und ohne entsprechende Absprache mit ihr die Mail eigenmächtig verfasst, ist unbehilflich:
„Wird – wie in Streitfall – bei der Abgabe einer Willenserklärung durch die Nutzung eines fremden Namens beim Geschäftspartner der Anschein erweckt, der angebotene Vertrag solle mit dem Namensträger zustande kommen (E-Mail-Account der Klägerin, Unterschrift der Versicherungsnehmerin … …) und wird dabei eine falsche Vorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen, so finden die Regeln über die Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) und die hierzu entwickelten Grundsätze entsprechend Anwendung. Dies gilt auch für Geschäfte, die über das Internet abgewickelt werden. Eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die unter solchen Voraussetzungen unter dem Namen eines anderen abgegeben worden ist, verpflichtet den Namensträger dann, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgt (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB analog), vom Namensträger nachträglich genehmigt worden ist (§ 177 Abs. 1 BGB analog) oder wenn die Grundsätze über die Anscheins- oder Duldungsvollmacht eingreifen (BGH, Urteil vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 289/09, Rn. 12, Juris). Hieran gemessen ist der Klägerin das Angebot vom 13.06.2014 zuzurechnen“.
Nach der ergänzenden Anhörung der Klägerin im Berufungsverfahren stand für den Senat fest, dass diese nach Rechtsscheingrundsätzen – dies in Form einer Anscheinsvollmacht – für das unter Verwendung ihres passwortgeschützten E-Mail-Accounts am 13.06.2014 abgegebene Angebot ihres Ehemanns auf Abschluss eines Abfindungsvergleichs einzustehen hat. Von einer Anscheinsvollmacht ist nach herkömmlicher Rechtsprechung auszugehen, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können, und wenn der Geschäftspartner annehmen durfte, der Vertretene kenne und billige das Handeln des Vertreters. Dabei greifen die Rechtsgrundsätze der Anscheinsvollmacht in der Regel nur dann ein, wenn das Verhalten von gewisser Dauer und Häufigkeit ist (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 289/09, Rn. 16, Juris). Diese Voraussetzungen liegen für den Streitfall vor.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Zweibrücken zeigt deutlich das Risiko der Weitergabe von E-Mail-Passwörtern auf. Werden über einen fremden E-Mail-Account, aufgrund der Preisgabe des Passworts, Nachrichten verschickt, muss sich der Account-Inhaber solche Erklärungen grundsätzlich zurechnen lassen.