Mit einem nicht alltäglichen Fall aus dem Erbrecht hatte sich kürzlich das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2015 – I-3 Wx 191/14) zu befassen.
Die Erblasserin, eine ältere wohlhabende Frau, litt schon seit längerer Zeit an Leukämie. Als bei ihr ein Tumor entdeckt wurde, unterzog sie sich einer Biopsie. Bevor sie sich dem Eingriff unterzog schrieb sie handschriftlich auf einen kleinen Zettel:
„04.03.2013 Dies ist mein Testament. Sollte heute bei dem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen, vermache ich mein ganzes Vermögen u. Haus Herrn A. Ich setze ihn auch als Betreuer ein. Ich möchte keine lebensverlängernden Maßnahmen. Dieses ist mein letzter Wille Unterschrift 04.03.2013“.
Bei Herrn A. handelt es sich um den Lebensgefährten der späteren Erblasserin. Die Biopsie verlief ohne Komplikationen. Die Erblasserin verstarb schließlich am 23.07.2013.
Uneinig nach dem Tod
Nach dem Tod der Frau beantragte Herr A. einen Erbschein als Alleinerbe und behauptet, die Erblasserin habe ihm am Tage nach dem Eingriff das Testament gezeigt und es anschließend in einem Leinenbrieftäschchen in einer Schublade bei allen anderen Papieren verwahrt, wo er es gefunden habe. Sie habe gewusst, dass sie nur noch wenige Monate zu leben hatte und habe deshalb ihr Erbe regeln wollen.
Die Schwester der Toten sowie deren Nichten und Neffen haben hingegen behauptet, Herr A. habe nach dem Tod der Erblasserin bei ihnen nachgefragt, ob sie wüssten, wo die Erblasserin ein Testament hinterlassen haben könnte. Er habe ursprünglich zudem angegeben, das Testament zerknüllt in einer Jogginghose gefunden zu haben.
Die Erblasserin habe nach der Biopsie wiederholt mit ihrer Schwester telefoniert und darüber gesprochen, ob es wohl notwendig oder zweckmäßig sei, ein Testament zu errichten. Der Zusatz „u.Haus“ sei auch nicht von der Erblasserin geschrieben.
„Dieses ist mein letzter Wille…“
In der Folgezeit hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Herrn A. erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Erbschein erteilt.
Das Testament sei unstreitig von der Erblasserin verfasst. Ob auch der Zusatz von ihr stamme oder nachträglich eingefügt worden sei, sei unerheblich. Das Testament habe auch nicht unter einer Bedingung gestanden. Die Formulierungen „Dies ist mein Testament“ und „Dieses ist mein letzter Wille“ machten deutlich, dass sie eine letztwillige Verfügung habe treffen wollen. Die Formulierung „Sollte heute … etwas passieren …“ sei so zu verstehen wie etwa die Formulierung „für den Fall meines Todes“. Sie stelle keine echte Bedingung dar. Dafür sprächen auch die weiteren Umstände.
Die Schwester der Toten sowie deren Nichten und Neffen haben sich gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichts beschwert und weiter zu ihrer Auffassung ausgeführt, das Testament habe eindeutig nur für den Fall gelten sollen, dass der Erblasserin bei dem Eingriff am 04. März 2013 etwas zustoße und sie nicht mehr aufwache. Der Fall sei aber gerade nicht eingetreten. Im Übrigen sei der Schwester der Erblasserin von einer unbeteiligten Zeugin ein von der Erblasserin selbst geschriebenes Kuchenrezept zugegangen, woran sich erkennen ließe, dass das Testament von der Erblasserin nicht selbst geschrieben worden sei.
Das OLG Düsseldorf half der Beschwerde der Angehörigen der Erblasserin nicht ab, sondern stellte fest, dass der Lebensgefährte der Erblasserin zu Recht den Erbschein ausgehändigt bekommen hat, da er aufgrund des Testamentes alleiniger Erbe geworden ist.
Dass die Erblasserin ihren Lebensgefährten nur für den Fall zu ihrem alleinigen Erben hat einsetzen wollen, dass sie den medizinischen Eingriff vom 04. März 2013 nicht überleben würde, kann nicht festgestellt werden.
Zur Begründung führt das OLG Düsseldorf Folgendes aus:
„Die von der Erblasserin gewählte Formulierung ist – dies ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt und für andere ähnliche Formulierungen erörtert und entschieden – auslegungsbedürftig und zwar insbesondere im Hinblick darauf, ob es sich um eine Bedingung oder die bloße Mitteilung eines Beweggrundes, eines Motivs bzw. des Anlasses für die Testierung handelt.
In der Regel verwendet ein Erblasser solche Formulierungen, um auszudrücken, warum er sich veranlasst gesehen hat, das Testament zu errichten und die darin vorgesehene (allgemeingültige) Regelung für Rechtsnachfolge nach seinem Tod zu treffen. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Erblasser diese Rechtsfolge nur dann will, wenn der Eingriff einen negativen Ausgang nimmt. Gerade im vorliegenden Fall ließe sich argumentieren, es sei so unwahrscheinlich, dass eine Biopsie mit nur örtlicher Betäubung tödlich verlaufe, dass gerade deshalb die Erbeinsetzung davon unabhängig gewollt gewesen sein müsse.
Gerade im Erbrecht ist mit der Annahme einer echten Bedingung Zurückhaltung zu wahren. Solange sich nach dem Inhalt der auszulegenden Erklärung keine unmittelbare Verknüpfung zwischen dem „motivierenden“ Umstand und dem Eintritt der testamentarisch angeordneten Rechtsfolge feststellen lässt, kann eine Bedingung nicht angenommen werden. Es muss der Wille des Erblassers erkennbar sein, die Wirksamkeit der Erbeinsetzung mit dem angegebenen, von ihm selbst für ungewiss gehaltenen Umstand unmittelbar zu verknüpfen“.
Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin die Erbeinsetzung ihres Lebensgefährten unmittelbar und ausschließlich mit ihrem Tod bei der Biopsie vom 04. März 2013 hat verknüpfen wollen, lagen nach Ansicht des OLG Düsseldorf daher nicht vor.
Weiter geht das Gericht in seiner Entscheidung davon aus, dass es auf die vom Lebensgefährten für seinen Antrag angeführten und von den Angehörigen der Erblasserin bestrittenen Umstände nicht ankommt. Insbesondere sind die angeblichen Telefonate über die Zweckmäßigkeit einer Testamentserrichtung nicht aussagekräftig.
Keine Zweifel
Schließlich hatte das Gericht keine Zweifel an der eigenhändigen Errichtung des Testamentes vom 04. März 2013 durch die Erblasserin. Nach Ansicht des OLG Düsseldorfs lagen keine besonderen Umstände vor, die gegen eine eigenhändige Errichtung des privatschriftlichen Testaments sprechen.
In diesem Fall genügt es, wenn der Tatrichter selbst die Schriftzüge des ihm vorliegenden Testaments mit anderen Schriftproben vergleicht und das Ergebnis würdigt. Der Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments bedarf es nur in Zweifelsfällen. Derartige Zweifel waren im konkreten Fall allerdings nicht feststellbar.
Im Erbrecht kommt es immer wieder zu äußerst emotionalen, kostenintensiven und langwierigen Streitigkeiten unter den potentiellen Erben.
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