Ausschlagung einer Erbschaft

Mit einem praxisrelevanten Fall aus dem Erbrecht hat sich zuletzt das OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken, 14.08.2024 – 8 W 102/23) befassen müssen.

Die Erblasserin in dem dortigen Fall war im betagten Alter von immerhin 106 Jahren verstorben, ein Testament hinterließ sie nicht. Sie hatte zuletzt in einem Seniorenheim gelebt. Die Kosten zahlte die Kriegsopferfürsorgestelle, wobei die Leistungen als Darlehen gewährt wurden und durch eine Grundschuld am Haus der Frau abgesichert wurden. Die Frau überlebte ihren Ehemann, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind. Weitere Enkel- und Urenkelkinder waren nunmehr die gesetzlichen Erben.

Eine Enkelin schlug das Erbe gemäß §§ 1942 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aus und gab dabei an, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei der Urenkel schlugen das Erbe dagegen nicht aus.

Sodann kam es zu einer durchaus überraschenden Wendung: Das Haus der Erblasserin wurde in der Folge verkauft. Der Erlös war so erheblich, dass, nachdem das Darlehen der Kriegsopferfürsorgestelle beglichen worden war, noch ein großer Geldbetrag übrigblieb. Außerdem tauchte im Nachhinein noch ein Sparkonto der Erblasserin auf, welches ein vierstelliges Guthaben aufwies.

So blieb nach dem Tod der Erblasserin noch ein beträchtlicher Betrag übrig, obwohl die Enkelin dachte, dass sie nur Schulden erben würde. Daraufhin erklärte das Enkelkind, welches das Erbe zuvor ausgeschlagen hatte, die Irrtumsanfechtung gemäß §§ 1954, 1955, 1957 BGB. Es stellte zugleich einen Antrag auf Erbscheinerteilung, wonach es als Erbin zu einem Viertel-Anteil ausgewiesen werden sollte.

Das zunächst befasste Nachlassgericht hatte entschieden, dass die Enkelin das Ausschlagen des Erbes wirksam angefochten habe. Wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung sei der Erbschein wie von ihr beantragt zu erteilen. Gegen diesen Beschluss wendete sich dann aber einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Mit seiner Beschwerde hatte er Erfolg.

Das OLG Zweibrücken entschied, dass der Erbscheinsantrag der Enkelin, die das Erbe zunächst ausgeschlagen hatte, zurückzuweisen sei, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergebe.

Das OLG kommt zu dem Ergebnis, dass die Enkelin gar nicht Erbin geworden sei. Sie habe die Erbschaft wirksam ausgeschlagen und diese Ausschlagungserklärung später nicht wegen Irrtums wirksam anfechten können. Zwar bestand laut OLG ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses. So sei der Enkelin erst im Nachhinein bekannt geworden, dass zum Nachlass ein Bankkonto mit einem vierstelligen Guthaben gehörte. Das sei aber nicht Grund für ihre Anfechtung gewesen, so das OLG. Denn selbst wenn ihr das Konto bekannt gewesen wäre, so das Gericht weiter, „hätte dies mangels wirtschaftlichen Gewichts des dortigen Guthabenbetrages gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert“. Mit anderen Worten: Die Enkelin, die dachte, sie würde einen großen Haufen Schulden erben, hätte laut OLG das Erbe auch dann nicht angetreten, wenn sie von dem Sparkonto der Oma mit ein paar Tausend Euro gewusst hätte.

Die Enkelin berief sich zudem weiter darauf, sie habe nicht ahnen können, dass der Erlös aus dem Hausverkauf genug Geld hergeben würde, um das Darlehen der Kriegsopferfürsorge zu begleichen. Dieser Irrtum beruht nach der Entscheidung des OLG allerdings lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.

Das OLG hat diesbezüglich zur Begründung Folgendes ausgeführt:
Ein solcher Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses kann dabei zwar dann vorliegen, wenn der Anfechtende von der Überschuldung des Nachlasses ausgeht. Fehlvorstellungen darüber, dass die Verbindlichkeiten den Wert des Nachlasses übersteigen, sind dabei aber nur dann beachtlich, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat.

War dagegen dem Anfechtenden die Zusammensetzung des Nachlasses bekannt und er hatte lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände bzw. Aktiva und Passiva des Nachlasses, so stellt sich dies als unbeachtlicher Motivirrtum dar.

Im Ergebnis ging die Enkelin damit leer aus.

Bevor eine Erbausschlagung erfolgt, sollten Sie sich in jedem Fall ausführlich beraten lassen. Für alle erbrechtlichen Fragestellungen steht Ihnen Frau Rechtsanwältin Schumann gerne zur Verfügung.