Mit dieser – eigentlich alltäglichen – Frage hatte sich das OLG Hamm (OLG Hamm, 30.05.2016 – 6 U 13/16) in einer aktuellen Entscheidung zu befassen.
Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger befuhr mit seinem – auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h gedrosselten – Motorroller die S-Straße auf der äußerst rechten von drei Richtungsfahrspuren in der Absicht die Kreuzung zur E-Straße in Geradeausfahrtrichtung zu überqueren. Dabei passierte er die für ihn geltende Lichtzeichenanlage vor der Kreuzung ohne anzuhalten bei einem Wechsel von Rot/Gelb auf Grünlicht. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Beklagte mit seinem Sattelzug mit einer Gesamtlänge von rund 18,75m auf der Linksabbiegespur der S-Straße in der Absicht an der beampelten Kreuzung nach links in die E-Straße einzubiegen, wobei er die Fahrspur des Klägers queren musste.
Die für den Beklagten als Linksabbieger geltende Lichtzeichenanlage war ca. 0,5 Sekunden vor Erreichen der Haltelinie für den Verkehr aus Fahrtrichtung des Beklagten von Grün auf Gelb umgesprungen.
Im Kreuzungsbereich kam es zur Kollision in der Weise, dass der Kläger – nachdem er infolge einer von ihm durchgeführten Vollbremsung in Schräglage auf regennasser Fahrbahn die Kontrolle über seinen Roller verloren hatte – mit dem Unterfahrschutz auf der rechten Seite des Sattelzugaufliegers zusammenstieß. Dabei trug der Kläger diverse, zum Teil schwere Verletzungen – einschließlich des Verlustes der Milz – davon. Außerdem entstanden ihm diverse Sachschäden, welche er vom Beklagten und der mitverklagten Haftpflichtversicherung ersetzt verlangt.
Nach durchgeführter Beweisaufnahme zum Unfallhergang gab das zunächst mit der Sache befasste Dortmunder Landgericht der Klage dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 70 % zu Gunsten des Klägers statt und nahm ein mit 30 % zu bewertendes klägerisches Mitverschulden an.
Hiergegen legte der Kläger Berufung zum OLG Hamm ein.
Berufung gegen Mitverschulden
Die Berufung blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte, nach ergänzender Beweisaufnahme, das landgerichtliche Urteil. Das OLG sah einen Gelblichtverstoß des Beklagten unter Missachtung der Regelung in § 37 II Nr. 1, S. 5 StVO b als erwiesen an.
Das OLG Hamm führt zur Begründung u.a. aus:
„Gelblicht ordnet an, das nächste Farbsignal der Lichtzeichenanlage abzuwarten. Ist das nächste Farbsignal – wie im Fall des Beklagten – „rot“, hat er anzuhalten, soweit ihm dies mit normaler Betriebsbremsung möglich ist; andernfalls darf er weiterfahren, muss aber den Kreuzungsbereich hinter der Lichtzeichenanlage möglichst zügig überqueren (…).
Soweit die Beklagten meinen, der Beklagte sei nur zum Anhalten verpflichtet gewesen, wenn es ihm gelungen wäre, bei normaler Betriebsbremsung vor der für die Lichtzeichenanlage geltenden Haltelinie zum Stehen zu kommen, kann dem nicht gefolgt werden. Gelb- und Rotlicht ordnen ein Anhalten spätestens vor dem Kreuzungsbereich an, in welchem sich die eigentliche Gefahr der Missachtung der Lichtzeichen verwirklicht. Die Haltelinie ordnet an, dass vor ihr angehalten werden muss. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Verkehrsteilnehmer, der die Haltelinie ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen überfahren hat, in jedem Fall an der Gelb- oder Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage vorbei in die Kreuzung fahren darf.
Dies würde insbesondere im Falle von Nachzüglern, die in Verkehrsstauungen im Bereich hinter der Haltelinie, aber vor der für sie geltenden Lichtzeichenanlage anhalten müssen, zu einer nicht hinnehmbaren Gefahr für den Querverkehr führen, der durch die Regelung der Lichtzeichenanlage gerade geschützt werden soll. Deswegen ist demjenigen Verkehrsteilnehmer, der bei Umspringen der Lichtzeichen von Grün- auf Gelblicht mit normaler Betriebsbremsung vor der Lichtzeichenanlage anhalten kann zuzumuten, gegebenenfalls auch jenseits der Haltelinie auf das nächste Lichtzeichen zu warten, wenn er vorher nicht zum Stehen kommt.“
Abgesehen von dem Gelblichtverstoß war dem Beklagten auch noch vorzuwerfen, dass er den Sattelzug nicht angehalten und seinen Abbiegevorgang abgebrochen hat, als der Kläger in den Kreuzungsbereich eingefahren ist. Der Beklagte hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kläger ihm als „Kreuzungsräumer“ den Vorrang belässt.
Das unfallursächliche Verschulden des Klägers hielt das OLG Hamm für weniger gewichtig. Dem Kläger wurde vorgehalten, dass er in den Kreuzungsbereich eingefahren ist, ohne auf den sich im Kreuzungsbereich bewegenden Sattelzug des Beklagten zu achten. Dadurch habe er sich nicht so verhalten, wie es von einem Verkehrsteilnehmer erwartet wird, der eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer möglichst auszuschließen hat.
Ein Wechsel der Lichtzeichen einer Lichtzeichenanlage von Grün- auf Gelblicht ordnet an anzuhalten, wenn dies mit normaler Betriebsbremsung möglich ist. Gegen diese Regelung verstößt schuldhaft, wer nach einem Wechsel der Lichtzeichen von grün auf gelb in den Kreuzungsbereich einfährt, obwohl ihm mit normaler Betriebsbremsung ein Anhalten zwar erst jenseits der Haltelinie, aber noch vor der Lichtzeichenanlage möglich ist.
Die Ausführungen des OLG Hamm sollten von jedem Verkehrsteilnehmer bedacht und berücksichtigt werden.
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