Wer auf einem Fahrrad mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mehr als 1,6 Promille unterwegs ist und anschließend das von ihm geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht fristgerecht beibringt, dem kann verboten werden, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße in seiner aktuellen Entscheidung (vgl. Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 12. August 2020 – 1 K 48/20.NW) festgehalten.
Dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Der in Landau wohnhafte Kläger wurde mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 13. Juli 2018 wegen einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr verurteilt. Er wurde am 27. Mai 2018 um 20.00 Uhr in Landau beobachtet, wie er mit seinem Fahrrad in auffälliger Weise gefahren war. Beim Eintreffen der Polizei schob der Kläger das Fahrrad. Zeugen bestätigten jedoch, dass er zuvor mit dem Fahrrad gefahren war. Ein freiwilliger Atemalkoholtest lag bei 1,73 Promille. Der Kläger willigte in eine Blutprobe ein und gab an, drei bis vier Weinschorlen getrunken zu haben. Nach den Feststellungen des Arztes stand er zum Zeitpunkt der Tat unter sehr starker Beeinflussung durch Alkohol. Eine Blutprobe um 22.03 Uhr ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 Promille.
In der Folge erfuhr die Stadt Landau von der rechtskräftigen Verurteilung und forderte den Kläger im Oktober 2018 auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Frage seiner Fahreignung vorzulegen. Da der Kläger das Gutachten in der Folgezeit nicht beibrachte, untersagte ihm die Stadt mit Bescheiden vom 10. Januar 2019 und 12. November 2019 die Nutzung aller fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr.
Den vom Kläger hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Stadtrechtsausschuss der Stadt Landau mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2019 zurück.
Dagegen erhob der Kläger im Januar 2020 Klage und machte geltend, die Stadt habe nicht berücksichtigt, dass er erstmalig mit dem Fahrrad im Straßenverkehr auffällig geworden sei. Die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens habe er sich aufgrund finanzieller Probleme nicht leisten können. Als Kind habe er den Radsport „professionell“ betrieben, sei aber im Alter von zwölf Jahren verunfallt und habe einen Schädelbasisbruch mit bleibenden Gehirnschäden erlitten. Aufgrund der Behinderung habe er keine Berufsausbildung machen können und sei auf die Nutzung eines Fahrrads existenziell angewiesen für Außenkontakte, Arztbesuche und zur Versorgung seiner Mutter.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt wie folgt:
Das von der Beklagten gegenüber dem Kläger ausgesprochene Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge aller Art (also insbesondere auch ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, sei rechtmäßig. Nach den einschlägigen Vorschriften der Fahrerlaubnisverordnung sei von der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 1,6 Promille oder mehr geführt worden sei. Lege der Betroffene das angeforderte Gutachten nicht oder nicht fristgerecht vor, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen schließen und die daraus folgenden, gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen ergreifen.
Die Gutachtensanordnung der Beklagten sei rechtmäßig ergangen. Der Kläger habe am 27. Mai 2018 ein Fahrzeug (ein Fahrrad) im öffentlichen Straßenverkehr geführt mit einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille. Dieser Sachverhalt ergebe sich aus dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 13. September 2018, dessen Inhalt der Kläger gegen sich gelten lassen müsse. Es sei in der Rechtsprechung geklärt, dass die Teilnahme mit einem Fahrrad am öffentlichen Straßenverkehr mit einer BAK von mehr als 1,6 Promille die Fahreignung insgesamt, das heißt auch für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge, in Frage stelle, und die medizinisch-psychologische Untersuchung auch gegenüber Personen, die nicht über eine Fahrerlaubnis verfügten, ohne Rücksicht auf die Einzelfallumstände zulässig und insbesondere nicht unverhältnismäßig sei.
Soweit der Kläger einwende, ein medizinisch-psychologisches Gutachten wegen fehlender finanzieller Mittel nicht beibringen zu können, sei dieser Umstand unbeachtlich. Auch der Umstand, dass der Kläger erstmals mit dem Fahrrad unter Alkoholeinfluss auffällig geworden sei, mache die Gutachtensanordnung nicht unverhältnismäßig. Schließlich könne der Umstand, dass der Kläger zur Bewältigung seines Alltags, zur Versorgung seiner Mutter und zur sozialen Teilhabe auf das Fahrrad angewiesen sei, das Fahrverbot für das Fahrrad nicht verhindern. Diesen beachtlichen Belangen des Klägers stehe das ebenfalls sehr hoch zu bewertende öffentliche Interesse an der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs für andere Verkehrsteilnehmer gegenüber. Die Gefahren, die von alkoholbedingt ungeeigneten Fahrradfahrern ausgingen, seien nicht unerheblich, sondern könnten auch zu schwerwiegenden Schadensereignissen führen. Auch unter Berücksichtigung der Grundrechte des Betroffenen, insbesondere der allgemeinen Handlungsfreiheit und einer Basismobilität durch die grundsätzlich voraussetzungslose Nutzung eines Fahrrads sei ein vollständiges Verbot dieses Fortbewegungsmittels rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Folgen und Konsequenzen einer Trunkenheitsfahrt, egal ob mit PKW, Rad oder anderen Fahrzeugen, sind oft weitreichend.
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