Das Landgericht Köln (Urteil LG Köln vom 02.08.2022 zum Az. 5 O 372/20) musste sich einem Unfall befassen, bei dem ein Rennradfahrer mit einer Autotür kollidiert ist.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, von Beruf Unfallchirurg, befand sich mit seinem Rennrad auf einer nachmittäglichen Ausfahrt im Bergischen Land, als er gegen 18 Uhr in Engelskirchen an einem Auto vorbeifahren wollte. Der Fahrer des Wagens öffnete die Fahrertür. Der Radfahrer konnte nicht mehr ausweichen und kollidierte mit der Tür, stürzte und zog sich schwere Verletzungen zu. Er brach sich eine Rippe, verletzte sich an der Schulter und erlitt multiple Prellungen an Schädel, Knien und Ellenbogen.
Im Rahmen seiner Klage gab der Kläger an, dass er in seinem Beruf als Unfallchirurg keine langwierigen kraftaufwendigen Operationen mehr durchführen. Auch könne er als Triathlet sein Schwimmtraining nicht mehr durchführen. Zudem habe sein hochwertiges Rennrad bei dem Unfall schweren Schaden genommen.
Außergerichtlich regulierte die Versicherung des Autofahrers mit einer Haftungsquote von 75%. Darüberhinausgehende Ansprüche wurden abgelehnt. Den Radfahrer, so die Argumentation der Versicherung, treffe ein Mitverschulden in Höhe von 25 %, weil er nicht weit genug entfernt von dem geparkten PKW vorbeigefahren sei. Er hätte wahrnehmen können, dass der Beklagte eingeparkt habe und seine Tür habe öffnen wollen.
Das Landgericht hat den beklagten Autofahrer und dessen Versicherung über die bereits anerkannte Haftungsquote von 75 % verpflichtet, dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Das Landgericht ging von einer alleinigen Haftung des Autofahrers aus.
Zur Begründung wies das Landgericht auf Folgendes hin:
Nach ständiger Rechtsprechung spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Autofahrer den Unfall verschuldet habe, weil die Kollision mit dem Fahrrad des Klägers im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür erfolgt sei. Gemäß § 14 Abs. 1 StVO müsse sich der Autofahrer dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Ein Mitverschulden des Klägers sei demgegenüber nicht anzunehmen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem Kläger der Vorwurf eines nicht ausreichenden Seitenabstandes gemacht werden könne.
Wie groß der Abstand im konkreten Fall zu sein habe, sei eine Frage des Einzelfalles. Dabei komme es auf die Verkehrslage, die Geschwindigkeit und die bauliche Situation, insbesondere die Breite der Straße sowie die Art der beteiligten Fahrzeuge an. Auf einer breiteren Straße sei ein größerer Abstand zu wahren. Der Seitenabstand soll in der Regel so bemessen sein, dass ein geringfügiges Öffnen einer Fahrertür noch möglich sei. 34 cm reichen hierfür nicht aus. 50 cm könnten schon genügen. Der Unfallort liege auf der gut ausgebauten Straße mit einer Breite von 5,70 m und einem Fahrstreifen je Fahrtrichtung. Beidseitig der Straße seien Parkstreifen angeordnet.
Es habe hohes Verkehrsaufkommen geherrscht. Aufgrund der eigenen Angaben des Klägers sei davon auszugehen, dass er mit seinem Rad über 30 km/h schnell gefahren sei, die an der Unfallstelle zulässige Höchstgeschwindigkeit aber nicht überschritten habe.
Das Gericht ging dabei davon aus, dass der Autofahrer den Einparkvorgang erst kurz zuvor abgeschlossen habe und die Fahrertür zunächst nur einen Spalt weit geöffnet gewesen sei.
Der Rennradfahrer habe auch nicht einen so großen Seitenabstand zum Fahrzeug einhalten müssen, dass er selbst bei einer vollständigen Öffnung der Fahrertür nicht mit dieser kollidiert wäre.
Dem Rennradfahrer könne schließlich kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er mit seinem Rennrad deutlich schneller gefahren sei, als der durchschnittliche Radfahrer. Mit einer so groben Unachtsamkeit des Autofahrers habe der Kläger nicht rechnen müssen.