Wir stellen Ihnen ein interessantes Urteil aus dem Bereich des Arbeitsrechts vor.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, 23.09.2015 – 5 AZR 767/13) hatte über folgenden Fall zu entscheiden:

Die Klägerin hatte von ihrem Arbeitgeber im Jahr 2008 eine Arbeitszeitaufstellung mit einem Überschuss von 414 Stunden erhalten. In der Folgezeit führte der beklagte Arbeitgeber mit dem Verweis auf eine mit der Klägerin vereinbarte Vertrauensarbeitszeit vertragswidrig kein Arbeitszeitkonto mehr.

Die Arbeitnehmerin legte deshalb eine eigene Liste an, in der sie überobligatorisch geleistete Überstunden eintrug und saldierte. Das von ihr erstellte Arbeitszeitkonto legte die klagende Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber allerdings erst in dem Arbeitsgerichtsverfahren vor. Aus der Aufstellung der Arbeitnehmerin ergab sich für den Zeitraum von 2008 bis 2011 eine Plus-Differenz von 643 Stunden. Die Arbeitnehmerin verlangte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nur die Abgeltung der vom Arbeitnehmer dokumentierten 414 Stunden, sondern auch eine Abgeltung der von ihr aufgelisteten 643 Stunden. Es ergaben sich stattliche 1.057 Überstunden, die nach Ansicht der Klägerin voll zu vergüten waren.

Vor dem BAG konnte die Arbeitnehmerin nur einen Teilerfolg erringen.

In seiner Begründung führte das BAG zunächst aus, dass ein Arbeitszeitkonto festhält, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach § 611 Abs. 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestands nicht erbringen musste und deshalb Vergütung beanspruchen kann, bzw. in welchem Umfang er noch Arbeitsleistung für die vereinbarte Vergütung erbringen muss. Begehrt der Arbeitnehmer die Abgeltung eines Zeitguthabens, so das BAG weiter, macht er den Vergütungsanspruch für vorgeleistete Arbeit geltend. Da dieses Zeitguthaben nur in anderer Form den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ausdrückt, genügt für die Schlüssigkeit einer Klage, die auf Ausgleich des Guthabens auf einem Arbeitszeitkonto gerichtet ist, dass der Kläger die Vereinbarung eines Arbeitszeitkontos und das Bestehen eines Guthabens zum vereinbarten Auszahlungszeitpunkt darlegt.

Diese Voraussetzungen sah das BAG nur hinsichtlich der 414 Überstunden, die der Arbeitgeber erfasst hatte, als erfüllt an.

Bezüglich der weiteren 643 Stunden wies das BAG die Klage ab und begründete dies damit, dass die Klägerin ein über 414 Stunden hinausgehendes Zeitguthaben bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht schlüssig dargelegt hat.

Das BAG fand deutliche Worte

„Behauptet der Arbeitnehmer zur Begründung eines (abzugeltenden) Arbeitszeitguthabens, geleistete Überstunden seien in ein vereinbartes Arbeitszeitkonto einzustellen, kann er sich, hat der Arbeitgeber die Stunden und den sich unter ihrer Berücksichtigung ergebenden Saldo des Arbeitszeitkontos nicht streitlos gestellt, nicht auf die Darlegung der Überstundenleistung beschränken, sondern hat als weitere Voraussetzung für eine Gutschrift die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung der behaupteten Überstunden darzulegen.

Wie im Überstundenprozess hat er darzulegen und – im Bestreitensfall – zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat und geleistete Überstunden vom Arbeitgeber veranlasst wurden oder diesem zumindest zuzurechnen sind. Denn der Arbeitgeber muss sich Leistung und Vergütung von Überstunden nicht aufdrängen lassen, und der Arbeitnehmer kann nicht durch überobligatorische Mehrarbeit seinen Vergütungsanspruch selbst bestimmen.

Der eine Zeitgutschrift für Überstunden beanspruchende Arbeitnehmer genügt deshalb seiner Darlegungslast nicht schon, wenn er vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Er hat darüber hinaus darzulegen, dass Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien.“

Diesen Anforderungen genügte die Klägerin nicht. Sie hat zwar dargelegt, an welchen Tagen sie von wann bis wann Arbeit geleistet haben will, nicht aber, dass Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen wäre.

Auch der Umstand, dass der Arbeitnehmer die weitere Führung des Arbeitszeitkontos vertragswidrig unterlassen hat, rechtfertigt nach Ansicht des BAG keine abweichende Verteilung der Darlegungslast. Denn auch bei Fortführung des Arbeitszeitkontos hätte es im Streitfall zunächst der Klägerin oblegen, zur Rechtfertigung eines Guthabens, Tatsachen vorzutragen, die geeignet sind, einen Anspruch auf Einstellung behaupteter Überstunden in das Arbeitszeitkonto zu begründen. Sie hätte auch in diesem Fall nicht nur die Leistung von Überstunden, sondern zusätzlich schlüssig darlegen müssen, dass diese von der Beklagten veranlasst wurden oder ihr zuzurechnen seien.

Für Arbeitnehmer wird aus der Entscheidung des BAG deutlich, dass ein selbst geführtes Arbeitszeitkonto regelmäßig nicht ausreichen wird, um Überstunden auch vergütet zu bekommen. Auch der Hinweis auf ein hohes Arbeitsaufkommen ist zu pauschal, um den Anspruch auf Gutschrift von Arbeitszeit zu rechtfertigen.

Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht und unsere Rechtsanwältin für Arbeitsrecht beraten Sie ausführlich und kompetent. Vermeiden Sie Überstunden, die Ihnen trotz möglicherweise sogar unstreitiger Mehrarbeit nicht vergütet werden.

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