„Krankfeiern“ rechtfertigt fristlose Kündigung

In seiner aktuellen Entscheidung musste sich das Arbeitsgericht Siegburg (vgl. ArbG Siegburg, Urteil v. 16.12.2022, 5 Ca 1200/22) mit einer nicht alltäglichen Kündigung beschäftigen. Die Parteien stritten in dem Verfahren u.a. um die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 19.07.2022.

Die Klägerin war bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpflegeassistentin beschäftigt. Auf Instagram tauschten sich die Parteien bereits vor der streitgegenständlichen Kündigung aus.

Die Klägerin war für Samstag, den 02.07.2022, und Sonntag, den 03.07.2022, zum Spätdienst eingeteilt. Für die Dienste meldete sie sich bei der Beklagten krank.

In der Nacht vom 02.07.2022 auf den 03.07.2022 fand im sog. Schaukelkeller in Hennef die White Night Ibiza Party statt, auf der diverse Fotos der Klägerin entstanden sind. Die Fotos stammen aus dem WhatsApp Status der Klägerin und von der Homepage des Partyveranstalters. Zu der Party wurde die Klägerin von Arbeitskolleginnen mitgenommen.

Am 04.07.2022, einem Tag, an dem die Klägerin arbeitsfähig war, übergab sie an die Beklagte eine auf den 04.07.2022 datierende Arbeitsunfähigkeit für die Tage des 02.07. und 03.07.2022. Die Krankmeldung stammte von einem Onlineanbieter. Am 05.07.2022 fand ein Gespräch zwischen einem Zeugen, einem weiteren Arbeitnehmer der Beklagten, und der Klägerin statt. Ebenfalls mit Schreiben vom 05.07.2022 ordnete die Beklagte gegenüber der Klägerin an, zukünftig ab dem ersten Tag einer Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen. Die Personalleitung wurde durch einen Zeugen am 07.07.2022 darüber informiert, dass die Klägerin an der Party teilgenommen hat.

Mit Schreiben vom 19.07.2022 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche, Kündigung aus.

Mit Ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Siegburg hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung gewandt.

Die Klage wurde vom Arbeitsgericht Siegburg abgewiesen. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der außerordentlichen, fristlosen Kündigung vom 19.07.2022 beendet worden ist.

Das Arbeitsgericht wies darauf hin, dass auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung einen wichtigen Grund nach § 626 BGB bilden. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkrete – vom Kündigenden ggf. zu beweisende – Tatsachen gestützt sein. Der Verdacht muss ferner dringend sein.

Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft. Die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermöchte. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen dementsprechend zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus. Der Umfang der Nachforschungspflichten richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Für die kündigungsrechtliche Beurteilung der Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch der dringende Verdacht einer nicht strafbaren, gleichwohl erheblichen Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB sein (vgl. m. w. N. BAG v. 24. Mai 2012 – 2 AZR 206/11, NZA 2013, 137-142, juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war das Arbeitsgericht Siegburg aufgrund des gegebenen Sachverhalts und dem im Rahmen der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Klägerin zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zu Lasten der Beklagten ihre Arbeitsunfähigkeit für die Tage am 02.07.2022 und 03.07.2022 vorgetäuscht hat und nicht arbeitsunfähig erkrankt war. Dies begründet nach Auffassung des Arbeitsgerichts vorliegend eine Tatkündigung und nicht „nur“, wie von der Beklagten ausgesprochen, eine Verdachtskündigung.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

Das Arbeitsgericht machte in seiner Entscheidung deutlich, dass das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortführungsinteresse der Klägerin bei Weitem überwiegt. Bei dem planvollen Vorgehen der Klägerin, welches gekoppelt mit dem Versuch der unberechtigten Erlangung von Entgeltfortzahlung verbunden ist, überwiegt das sofortige Beendigungsinteresse der Beklagten das Fortführungsinteresse der Klägerin bei weitem. Ein derart betrügerisches Verhalten ist der Beklagten nicht, auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten. Zugunsten der Beklagten war insoweit auch zu berücksichtigen, dass eine Duldung des entsprechenden Verhaltens eine verheerende Signalwirkung für ihre weiteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hätte.

Für sämtliche Fragen rund um das Arbeitsrecht stehen Ihnen Rechtsanwältin Schumann und Rechtsanwalt Doll zur Verfügung.

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