Mit einer interessanten Fragestellung hat sich das Landgericht Frankenthal in seiner aktuellen Entscheidung (vgl. Urteil vom 26.07.2021, Az. 4 O 47/21) befasst.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Mann hatte vor knapp 30 Jahren mit seiner Verlobten vor einem Notar einen Ehevertrag geschlossen. Bei Abschluss des Vertrages war den Beteiligten bewusst, dass die Verlobte nicht in das Berufsleben eintreten wird, sondern innerhalb der Ehe für Kindererziehung und Haushalt zuständig sein sollte. Bei Abschluss und Gestaltung des Vertrages war es dem späteren Ehemann darauf angekommen, sich und seinen landwirtschaftlichen Betrieb vor Ansprüchen der Frau abzusichern, falls die Ehe scheitern sollte.
Unter diesen Vorgaben und auf Rat des beurkundenden Notars verzichteten die späteren Ehegatten mit dem Ehevertrag für den Fall einer Scheidung auf sämtliche gegenseitige ehe- und erbrechtliche Ansprüche. Dieser Verzicht betraf insbesondere auch den gesetzlich vorgesehenen Unterhalt und den sogenannten Versorgungsausgleich.
Im Jahre 2019 erfolgte die Trennung der Eheleute. Nachdem bei der Ehefrau die Zweifel an der Wirksamkeit des Ehevertrags wuchsen, mandatierte sie einen Anwalt. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens äußerte das zuständige Amtsgericht ebenfalls deutliche Bedenken, ob es nicht sittenwidrig war, zu Beginn der Ehe die Rechte der Ehefrau und damit auch den Versorgungsausgleich so weitgehend auszuschließen, wie es in dem von der Frau angegriffenen Ehevertrag der Fall ist. Daraufhin zahlte ihr der Mann rund 300.000 Euro als Abfindung.
Diese Summe verlangte er nun vor dem Landgericht Frankenthal von dem damals beauftragten Notar als Schadensersatz zurück. Der Mann argumentierte in dem Verfahren damit, dass er seine bei Abschluss des Vertrages schwangere Frau nicht geheiratet hätte, wenn der Notar ihn auf die mögliche Unwirksamkeit des Vertrages hingewiesen hätte. Ohne Heirat, so das Argument des Mannes weiter, hätte er sich die Zahlung der 300.000 Euro Abfindung gespart.
Das Landgericht Frankenthal hat einen Anspruch des Mannes gegen den Notar verneint. Das LG weist darauf hin, dass dem Notar keine schuldhafte Verletzung seiner Amtspflichten vorzuwerfen ist. Die Beratungspflichten eines Notars orientieren sich immer an der aktuell geltenden Rechtslage und Rechtsprechung. Abzustellen für etwaige Pflichtverletzungen ist mithin auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Jahr 1991 sei aber der Ausschluss sämtlicher Ansprüche der Ehefrau, also auch des Versorgungsausgleichs, von der Rechtsprechung grundsätzlich noch nicht als sittenwidrig angesehen worden. Dies habe sich erst zehn Jahre später durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts geändert.
Diese Entwicklung konnte und musste der Notar im Jahr 1991 jedoch noch nicht absehen. Für die negativen Auswirkungen, die dem geschiedenen Ehemann durch diese Rechtsprechungsänderung entstehen, hat der Notar entsprechend auch nicht einzustehen.
Notarinnen und Notare haben sich im Rahmen der Beratung mithin nur an der aktuellen Rechtsprechung zu orientieren, um eine Haftung zu vermeiden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Änderungen der Rechtsprechung absehbar sind.